Einer trage des anderen Last
 

Auch wenn wir es schon nicht mehr hören können, weil es zu oft auch nur so dahin gesagt wird:
Gemeinde - das sind wir. Wir alle, die wir getauft sind und uns weiterhin zur Kirche halten, also nicht ausgetreten sind.

Anders als in unserer Partnergemeinde Mügeln in der DDR und auch anders als in Umbonambi in Südafrika sind wir hier in der Bundesrepublik eine Volkskirche. Bei uns werden eben alle getauften Mitglieder gezählt und nicht nur die, die sich aktiv zur Kirchengemeinde halten, die zu den Gottesdiensten kommen und auch sonst aktiv mitarbeiten. Man mag das beklagen, daß wir keine Kirche und damit auch keine Gemeinde sind, in der nur die wirklich aktiven oder die richtigen „Christen" dazugehören. Doch ich meine, daß es gut so ist. Denn wer von uns vermag Echtes von Geheucheltem, Ehrliches von nur so Gesagtem zu unterscheiden?
Ich traue es mir nicht zu und meine, daß keiner von uns dem anderen in sein Inneres sehen kann. Solange wir das nicht vermögen, halte ich mich daran, unter Gemeinde alle zu verstehen und alle miteinzubeziehen. Sicher, es ergeben sich auch daraus Schwierigkeiten und Probleme. Denn der Begriff der Gemeinschaft, der doch sehr eng mit der Gemeinde verbunden ist, wird sehr schwer sichtbar und auch häufig wieder in frage gestellt:
Wie soll sich Gemeinschaft ereignen, wenn ich gar nicht genau weiß, wer nun eigentlich dazu gehört? Da wäre es dann schon gut, hätten wir einen gültigen Maßstab, und wenn es sein muß, auch eine klare Trennungslinie. Ich meine, wir sollten, ehe wir gleich wieder trennen und zu sortieren beginnen, erst einmal diese Spannung auszuhalten versuchen. Sollten uns bemühen, Gläubige und Nichtgläubige, Feste und Unsichere, Freie und Unfreie zusammenzubringen und das alle Verbindende zu sehen. Denn, und das ist dann das dritte, Gemeinde ist immer ausgerichtet und gruppiert um das allen Menschen zugesagte Wort Gottes.
Dieses Wort Gottes oder Gott selber ist es, der trennt und ruft, der sammelt und sich verweigert. Nur er, nicht wir. Und da Gemeinde sich um dieses lebendige Wort sammelt und gesammelt wird, hat sie im Hören auf dieses Wort das Miteinander als Verpflichtung und Aufgabe übernommen. Eine Verpflichtung, die auch gerade in einer Zeit besteht, in der der Einzelne es sich nicht zutrauen kann oder es nicht mehr wagen kann, Gemeinschaft zu erleben.
Denn Mißtrauen und eigenes Fortkommen haben uns den Blick verstellt, in der Gemeinde noch einen Sinn zu sehen. Und trotzdem gilt es gerade da, die Lasten des anderen mitzutragen und so teilzuhaben und mitzuarbeiten an der Gemeinde, deren Mittelpunkt Jesus Christus ist.

HMStark

Denn:

Die anderen warten auf mich.
Sie warten, daß ich etwas für sie tue,
sie warten auf meine Geduld,
auf meinen Rat und mein Wort,
auf einen Brief oder einen Besuch,
sie rechnen damit,
daß ich Zeit habe, Zeit und viel Kraft.

Es gibt viele, die mich brauchen,
so viele, die ich kennen sollte,
die mir begegnen und erwarten,
daß ich ihren Namen weiß.

Es gibt so viele,
die bei mir eine offene Tür suchen,
einen Stuhl
und eine Stunde des Gesprächs.
Sie wollen, daß ich ihre Last mittrage,
die Last auch, die sie sich selbst sind.

Herr, ich bin ein Gast in deinem Haus,
Du hast mich aufgenommen,
du hörst mich
und trägst mit mir meine Last.
Ich bin zu dir gekommen,
und du erträgst mich.

Nun bringe ich dir alle,
die zu mir kommen.
Nimm sie und mich an
mit all ihrer und meiner Last.

Du bist der Gastgeber und das Haus
Laß mich ruhen in dir
und gib mir den Mut,
auf's neue sie alle einzulassen,
damit alle, die mich suchen,
dich finden mögen.

(Jörg Zink)