Aus der Gemeinde Mügeln
 
Trösten Sie sich mit vielen anderen, wenn Sie uns auf der Landkarte erst suchen müssen!
Zu finden sind wir im alten Kursachsen auf der halben Strecke zwischen Leipzig und Dresden. Im letzten Ausläufer des Flachlandes hat sich äußerst fruchtbarer Lehm abgelagert. So war es die Zuckerrübe, die ein weit ausgedehntes Schmalspurbahn-Netz entstehen ließ und Mügeln den größten Kleinbahnhof Europas mit eigenem Bahnbetriebswerk bescherte. Heute beherrschen ausgedehnte „Wälder" vom Apfelanbau die Fluren, sofern nicht die kalkweißen Halden des Kaolin-Abbaus in der Sonne blinken.
Gleich aus welcher Richtung Sie uns besuchen: zuerst grüßt sie der Collm, ein weit aus der Landschaft herausragender Kegel. Er ist unser Berg. Kommt er in Sicht, dann sind wir zu Hause. Und „wenn der Collm Tabak raucht, wird kein beständiges Wetter". Nähern Sie sich dann unserem Städtchen, so sehen Sie es in einem Talkessel Ihnen zu Füßen liegen. Mitten drin reckt sich der schlanke Kirchturm, ob er vielleicht doch noch über den Rand dieses Kessels schauen könne. Nach Norden zu gelingts ihm auch.
Wie es sich für ein altes Städtchen geziemt, ist auch heute noch Mittelpunkt der Marktplatz mit unserer Kirche, die übrigens Johannes dem Täufer geweiht ist. Ist aber unsere Kirchgemeinde auch die Mitte unseres Städtchens? Die „Stadt auf dem Berge" können wir in unserem Tal nicht sein, wohl aber das Salz in der Suppe. Manchmal kommen wir uns schon vor wie eine sehr kleine Prise Salz in einer allzu großen Menge. Das macht auch Angst.
Dann ist die ehrwürdige Kirche eine wunderbare Zuflucht. Kommen Sie mit über den Markt durch die enge Gasse! Plötzlich stehen wir vor dem schmiedeeisernen Kirchen-Portal, das breiter ist als die Gasse. Filigranarbeit ist es! Hat es nun eine Spinne kunstvoll gewebt oder doch der Hufschmied aus dem Jahre 1648? Treten Sie ein in die spätgotische Halle und lassen Sie sich gefangennehmen von ihrem warmen Licht, das durch die hellen Fenster auf das angenehme Weiß der Wände fällt, von denen sich Pfeiler und Rippen rotbraun abheben. Von den Pfeilern lassen Sie sich Ihren Blick nach oben ziehen! Dann verfolgt das Auge in ungezählten Varianten die Rippen des ausgewogenen Sternengewölbes in den drei Jochen des Schiffes und des herabgezogenen Chores. Dabei lesen wir in einem Schlußstein die Jahreszahl 1521.
Zuflucht und Geborgenheit in einer streng gotischen Kirche? So werden Sie fragen. So streng ist sie nicht. Als ich vor zehn Jahren sie kennenlernte, fühl te ich mich gleich so wohl, daß ich nicht mehr viel nach den anderen Bedingungen dieser Pfarrstelle fragte. Unsere Kirche hat nicht das Hinaufstrebende der norddeutschen Backsteingotik, fast schon eine seßhafte Breite.
Schauen wir nun nach vorn, so werden die Augen nicht aufgehalten durch Vierung und Querschiff, sondern wandern direkt zu dem lebensgroßen Kruzifix auf dem Altar, das sich als Silhouette vor den Chorfenstern abhebt. So sehen Herz und Gedanken von selbst auf zu dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens.